Über Morgen – worauf es heute ankommt
Statement einer Betriebsrätin beim Gottesdienst zum 1. Mai 2022
Ich arbeite in einem Forschungsinstitut. Wir haben Verbindung zur Universität, aber wir gehören nicht der Universität Ulm. Wir sind verwaltungstechnisch und finanziell von der Uni unabhängig.
Wir sind etwa 60 Beschäftigten, davon etwa ein Drittel sind Doktoranden, die 4 bis 6 Jahre am Institut sind. Zu uns kommen auch immer wieder Praktikanten und Absolventen, die eine Bachelor- oder Masterarbeit anfertigen, es gibt also eine gewisse Fluktuation.
Unsere Aufgabe ist es, Erkenntnisse aus der Forschung der Industrie zur Verfügung zu stellen. Die Tätigkeit in der Forschung ist sehr interessant und abwechslungsreich: es gibt immer neue Fragestellungen, neue Herausforderungen. Die sind in die Zukunft gerichtet.
Die Forschung hat einen langen Atem: nicht immer haben die Erkenntnisse von heute sofort eine Anwendung, manchmal kommen die Erkenntnisse erst nach Jahren zur Geltung.
Das Problem in der Forschung – und also in unserem Forschungsinstitut ist es, den Wert der Arbeit in Münzen auszudrücken: wir produzieren (und verkaufen) keine Stückzahlen von Gegenstände sondern Wissen. So ist ein wichtiger Schwerpunkt der Tätigkeit vom Betriebsrat, immer zu wiederholen, dass die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen wertvoll ist, auch wenn das Ergebnis nicht sofort verkauft werden kann. Diese Arbeit muss auch bezahlt werden, denn: Forschende sind auch Menschen, müssen etwas essen, eine Familie ernähren.
Unsere Arbeit ist eingeteilt in Forschungsprojekte, die in der Regel eine Dauer von 2-3 Jahre haben. So haben auch die meiste Arbeitsverträge eine Dauer von 2-3 Jahre. Nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz sind projektgebundene Kettenverträge rechtlich korrekt. Diese Beschäftigungsunsicherheit ist vielleicht am Anfang nicht so schlimm, wird aber zur Belastung, sobald eine Familiengründung geplant ist oder ein Kredit notwendig wird. Nach langen Diskussionen ist uns als BR in den letzten Jahren gelungen, die Geschäftsleitung zu überzeugen, Mitarbeiter*innen, die über 5 Jahre nach ihrem Abschluss immer finanziert waren, einen unbefristeten Vertrag anzubieten. Ein wichtiges Argument war, in Zeiten der Mangel an Fachkräften, Mitarbeiter*innen an das Institut zu binden. Wir müssen immer wieder betonen: nur zufriedene Mitarbeiter*innen sind wirklich kreativ und auf Kreativität kommt bei uns an! Es lohnt sich also, in die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen zu investieren.
Die Tätigkeit des BR war in den letzten 2 Jahren von der Corona-Pandemie bestimmt. Dem BR war und ist wichtig, die Schwächeren in Schutz zu nehmen: Kollegen*innen mit Vorerkrankungen, mit Schwerbehinderung, und solche, die Ängste hatten, aber auch junge Eltern, die den Spagat zwischen Berufstätigkeit und Kinderbetreuung meistern müssen. Hier hat uns die Digitalisierung geholfen: viele von uns arbeiten sowieso am Computer, programmieren oder machen Simulationen. Die Möglichkeit von Home-Office und eine besonnene Flexibilisierung der Arbeitszeiten haben geholfen, manches zu entzerren. Wir haben viel Anerkennung erfahren und den Kolleginnen und Kollegen ist klar geworden, wie wichtig es ist, einen BR als Ansprechpartner zu haben. Die fachliche Kommunikation hat auch online gut funktioniert, so dass die Erfahrung insgesamt positiv war. Wir sind im BR bemüht, diese Möglichkeiten offen zu halten, immer dann, wenn es sinnvoll ist und den Mitarbeitenden eine Entlastung bringen.
Etwas haben wir sehr vermisst und wir haben bemerkt, wie wichtig für uns sind: die Betriebsversammlungen in Präsenz! Es ist ein ganz anders Gefühl, echte Menschen anzusprechen, auf echte Menschen zu schauen, die Mimik wahrzunehmen, als mit einer Kamera zu sprechen! Der Austausch online ist einfach gehemmt. So wollen wir hoffen, dass diese Ausnahmeregelung, Betriebsversammlungen auf Distanz halten zu dürfen, der Vergangenheit gehört.