Jahresempfang der Betriebsseelsorge 2022  am 24. Okt 2022 in Weißenhorn

Gespräch zu 50 Jahre Betriebsseelsorge in der Region

 – Thomas Hoffmann, P. Bernhard Laube, Werner Gloning (DGB Günzburg)-

Um die Würde des Menschen und um soziale Gerechtigkeit im Betrieb und in der Arbeitswelt geht es – und darum eine Brücke zu sein zwischen Kirche – den Seelsorgern in der Kirche – und der Arbeitswelt.

 

1. Wie gestartet?

Mit der Frage: Was brauche ich, welche Fähigkeiten muss ich mitbringen, um die Aufgabe der Betriebsseelsorge zu beginnen?

„Liebe zum Arbeiter und Bereitschaft zur Teamarbeit –

alles weitere wächst dir zu“

So antwortete damals der KAB-Diözesanpräses und Betriebsseelsorger Alfred Sauer, als ich ihn im Juli 1972 besuchte. – So konnte ich beginnen. –

Von der Teamarbeit kam ich, als Redemptorist galt mein Blick und meine Zuwendung den Menschen – und:

Die Kath Soziallehre hatte mich schon beim Studium interessiert, das Verhältnis Mensch und Wirtschaft. – Cardijn und die Schriften vom Leben und Wirken der CAJ: „Das lebendige Evangelium“ und „Beseelen statt befehlen“, waren mir ein AHA-Erlebnis. Sie öffneten mir den Blick für gelebten Glauben in der Arbeitswelt.

So begann ich die Betriebsseelsorge – zuerst in den Landkreisen NU und GZ – die Fläche deckte sich mit dem DGB-Bezirk NU und dem KAB Bezirk Iller-Donau.

Bald kam der KAB-Bezirk Donau Ries dazu: Die Donaulinie Gundelfingen, Lauingen, Dillingen bis  Donauwörth, und nach Norden die Kreise Nördlingen, Dinkelsbühl.

Anfang Sept. 1972 reiste ich an. Drei Zimmer gab es: Xaver Seibold, der KAB- Sekretär und der CAJ-Sekr. Wolfgang Milde waren noch im Urlaub. Habe als erstes Stpfr. Dekan

Eberle und KAB-Vorsitzende Maria Mayer besucht. Von ihr bekam ich den Schlüssel.

Erste Kontakte gab es vorher schon zwischen Präses Sauer und dem DGB-Kreisvorsitzenden von NU, der leider sehr jung gestorben ist.

Sein Nachfolger war Norbert Püschel.

Mein erster Kontakt mit ihm war ein Besuch im Krankenzimmer.

Er hatte sich im Wahlkampf 1972 ein Bein gebrochen.

Meine erste Begegnung mit Betriebsräten war beim Sozialkurs der KAB in der Wies. Männer und Frauen, die ein Gespür entwickelten für Menschlichkeit und Gerechtigkeit in der Arbeit, die sich einsetzten für ihre Kollegen und Kolleginnen und manchmal auch von ihnen alleine gelassen wurden. –

In NU fuhr ich durchs Industriegebiet, stellte mir aus dem Telefonbuch die Adressen

der größeren Betriebe zusammen und ging bald auf die ersten Betriebsräte zu.

  • In der Fa. Reich in NU, wo der BRV ein KAB-Mann aus Weißenhorn war. Bei Wieland in Vöhringen, wo der CAJ-Pfarrer Hochenauer schon Kontakte hatte.
  • Der Reihe nach besuchte ich die BR in größeren Betrieben: Untiedt in Altenstadt, Mengele in Günzburg, ein Käsewerk in Krumbach, Fensterfabrik in Jettingen, Wurstfabrik in Thannhausen – Schwarzkopf in Münsterhausen u. a..
  • Bald besuchte ich die Dekane der 4 Dekanate, stellte mich und meine Aufgabe vor, fragte und sprach mit ihnen über Kontakte zu Betrieben in ihrem Bereich.

Später so auch bei der Zusammenkunft der Seelsorger der Dekanate.

 Hingehen, hinhören, die befreiende, Kraft gebende Botschaft des Glaubens spüren lassen – wurde meine Leitlinie. Gott geht es um den Menschen.

Wenn es um existentielle Entscheidungen ging, habe ich mich besonders gefordert gefühlt – bei Konkursen und bei Abbau von Arbeitsplätzen.

 Die Arbeit hat sich immer weiter entfaltetvon Kontakten zu Betriebsräten/ Personalräten und Gewerkschaften zu Betriebsbesuchen mit Seelsorgern, Begegnungsabenden der Seelsorger mit Betriebsräten, thematische Gottesdienste in den Gemeinden, Vorträge, Besinnungstage, Mitarbeit in der KAB, Begleitung der Arbeitslosen, Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien.

 Bei allem war und ist Ziel, die Würde des Menschen deutlich machen und Solidarität und Gerechtigkeit in der Arbeitswelt zu fördern.

Der erste Kontakt war unterschiedlich. Dass ein Mann der Kirche auf sie zukam,

war neu. Manchmal rief der Mann an der Pforte gleich die Geschäftsleitung.

Es gab BRV, die in der Gewerkschaft und in der Kirche zuhause waren. Sie freuten sich und es gab schnell gute Gespräche. Andere waren zurückhaltend, manche eine Zeit lang auch misstrauisch. Sie fürchteten eine Spaltung der Arbeiterbewegung.

Im Laufe der Zeit hat sich das Klima geändert. – Der IGM-Sekretär von Neu-Ulm

hatte 10 Jahre bei der Delegiertenversammlung vor diesem Betriebsseelsorger gewarnt, seit dem Arbeitskampf von Videocolor 4 Jahre aus Abstand beobachtet und seit der Auseinandersetzung um Mengele 4 Jahre konsequent zusammengearbeitet.

2. Was war für mich in der Betriebsseelsorge wichtig und wertvoll

 Ein Dreifaches möchte ich nennen:

1. Klare Option – vertrauenswürdig sein. 

2, Hingehen, hinhören, Begegnung.

3. Austausch im Team.

 

Wichtig war für mich eine klare Option

Liebe – sagte Präses Sauer auf die Frage, was nötig ist in der Betriebsseelsorge – Liebe zum Arbeiter und Bereitschaft zur Teamarbeit. (Alles weitere wächst zu.)

Liebe zum Arbeiter – das heißt, an seiner Seite stehen, zu ihm stehen.

Die Menschen mussten sich auf mich verlassen können.

Bei betrieblichen, tariflichen, gesellschaftlichen Auseinandersetzungen.

Zweitens: Hingehen, hinhören. Begegnung  (BSS ist eine „Geh hin Seelsorge“)

Bei Besuchen und Begegnungen die befreiende Kraft des Glaubens in den Spannungen des Arbeitslebens spürbar machen und aus dieser Kraft schöpfen können – war mein Anliegen und meine Leitlinie.

 

Drittens: Der Austausch im Team der BSS etwa alle 2 Monate war für mich wichtig und wertvoll. Der freundschaftliche Austausch, gemeinsames Suchen, die Erfahrung der anderen gab Sicherheit, Anregungen und Mut den Weg weiterzugehen.

3. Wünsche für die Betriebsseelsorge

 

  1. Dass sie weiter besteht, wirkt und wirken kann. Sie in der Diözese (weiter) einen wichtigen Stellenwert und Platz hat.
  2. Dass weiter überzeugte Frauen und Männer sich diese Aufgabe zu eigen machen.
  3. Gute Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, BR und PR-Räten

…………………….

 

Die Gedanken, die ich nach den 18 Jahren in Neu-Ulm am Beginn meiner Arbeit als BSSger in der Diözese Bamberg aufgeschrieben habe, fassen das zusammen:

……………………

Gottes Anliegen ist der Mensch.

Um die Würde und Größe des Menschen geht es im ganzen Evangelium.

In der Arbeitswelt ist es darum nicht so gut bestellt.

Da geht es um Leistung, Ertrag, Konkurrenzfähigkeit, Gewinn.

Der Mensch ist ein Faktor in der Produktion.

Den Menschen als Mensch in den Blick bringen,

die Würde des Menschen deutlich machen, ist/war mein erstes Anliegen.

Zugehen auf Betriebsräte und Gewerkschafter, hören wie es aussieht im Betrieb und wie es ihnen geht in ihrer Verantwortung für die Kollegen und Kolleginnen war der erste Schritt.

Wo es darauf ankam, an ihrer Seite stehen in der Auseinandersetzung

für die Würde des Menschen und die Rechte der Arbeitnehmer.

Brücke zwischen Kirche und Arbeiterschaft sein ist/war mein zweites Anliegen.

Beiden geht es um den Menschen, beide haben sich viel zu geben:

Die Kirche mit ihrem Wissen von Gott, dem Menschen

und dem Leben, das über dieses irdische Leben hinausgeht.

Die Arbeiterbewegung mit ihrer Erfahrung im Kampf für Gerechtigkeit und menschenwürdiges Leben in dieser Zeit.

Beides gehört zusammen. Je eins für sich bleibt halbe, unbefriedigende Sache.

Ich bin Überzeugt, eine große neue Kraft kommt in unsere Gesellschaft,

wenn es gelingt die Brücke zuschlagen zwischen Kirche und Arbeiterbewegung, voneinander zu lernen und miteinander für Würde und Gerechtigkeit in unserer Arbeitswelt und Gesellschaft einzutreten.

Bernhard Laube, München / Weißenhorn, 24.10.2022

Jahresempfang der Betriebsseelsorge 2022 am 24. Okt 2022 in Weißenhorn